„Ich bin halt ein langsamer Lerner“, „Andere können einfach besser lernen“, „Manchmal klappt’s und manchmal nicht und ich weiß nicht warum“ – diese Empfindungen kennt jeder. Und tatsächlich beschreiben sie oft die Realität. Aber die richtige Diagnose ist noch nicht die Heilung. Du hast nämlich zwei Möglichkeiten: Du zuckst mit den Schultern und sagst „ist halt so“, oder du wirst selbst zum „Besser-Lerner“. Denn – das ist der entscheidende Punkt – JEDER kann schneller, besser und effizienter Lernen. Auf die Strategie kommt es an!
Ist es nicht toll, dass man nie etwas selbst verantworten muss? Die Gene, das familiäre Umfeld, die Drüsen, der Schiedsrichter, das Universum, Gott,– je nach Bedarf gibt es für alles, was nicht so funktioniert wie man will, einen Schuldigen, der man nicht selber ist. Da lässt sich super drüber motzen und sich beklagen und so weiter machen wie bisher. Das einzige Problem dabei: Es wird auch alles so weiter gehen wie bisher.
Bis es irgendwann nicht mehr weiter geht, weil das Ende der Fahnenstange erreicht ist. Und dann geht’s abwärts.
Konkret auf das Lernen übertragen heißt das: Ich bin unzufrieden, weil ich einfach nicht vorankomme oder Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis stehen oder ich immer wieder in denselben Situationen scheitere. Aber der Lehrer/Prof/Chef ist halt doof. Und das Thema langweilig. Und überhaupt bin ich ein ganz anderer Lerntyp.
Und GENAU DA liegt die Sardine in der Dose! Natürlich gibt es unterschiedliche Lerntypen und natürlich gibt es Lernstrategien, die für manche Lerntypen besonders hilfreich sind und bei manchen keinen Effekt erzielen. Was soll der Maurer mit Brotschieber und Mehl und der Bäcker mit Kelle und Mörtel? Aber zuckt der Bäcker mit den Schultern, rührt den Brötchenteig aus Zement und schimpft dann auf den Mörtel, weil die Kunden sich die Zähne ausbeißen?
Warum solltest du das denn dann beim Lernen so machen? Siehst du! Jeder kann zum Besser-Lerner werden!
Lass dich dabei nicht von populärwissenschaftlichen Ratgebern irritieren, die toll klingen, aber keinerlei Effekt erzielen, weil sie am eigentlichen Kern des Problems vorbeiführen. Ein Beispiel: Viele Menschen denken beim Stichwort „Lerntypen“ an die Kategorisierung nach Sinneskanälen (visuell, auditiv, haptisch, kognitiv – „ich lerne besser über Schaubilder und Mindmaps (Visuell)“; „ich merke mir sehr gut Sachen, die ich höre (auditiv)“. Hier handelt es sich aber einzig um unterschiedliche Vorlieben bei der AUFNAHME von potenziellen Lerninhalten.
Man könnte also von „Wahrnehmungs-“ oder „Lerninhaltaufnahmetypen“ sprechen. Klingt doof. Ist es auch. Denn „Lernen“ ist der komplexe Ablauf koordinierter Aktionen diverser Hirnregionen, mit denen diese aufgenommenen Informationen weiterverarbeitet werden. Natürlich „lernt“ der visuelle Typ mit Hilfe von Schaubildern und Mindmaps möglicherweise „besser“, weil er wesentlich mehr Informationen zur Weiterverarbeitung ins Hirn schleust. Aber nicht unbedingt: Der Fischer mit dem engmaschigeren Netz macht auch einen größeren Fang. Aber wenn er die schmackhafte Makrele nicht vom Autoreifen unterscheiden kann, bringt ihm das bei der Weiterverarbeitung nicht viel. Ich möchte keine Fischsuppe von ihm probieren.
Gerade heute in der Zeit permanenten Inputs von allen Seiten ist die Größe des Netzes nicht das Problem.
Potenzielle Lerninhalte hüpfen von selbst an Deck und warten zappelnd auf die Entscheidungen von Käpt’n Kognitiv. Hier musst du die richtigen rausfiltern und richtig zupacken, damit dir die glitschigen Gesellen nicht mehr aus der Kombüse hüpfen. Auf die Technik kommt es an – beim Fische- wie beim Lernstoffefangen. Und hier hat JEDER Lerner Verbesserungspotenzial.
Lernforscher, die sich wissenschaftlich mit der Frage beschäftigten, wer wie besonders effizient lernt, haben Lernstrategien gesammelt (v. a. Pintrich seit 1991 und Martin 2014), und diese in vier Kategorien geordnet. Grundlegend sind die „Kognitiven Lernstrategien“. Hier geht es tatsächlich um das „Zupacken“, wie du Informationen aufnimmst, speicherst und verarbeitest. Wo sind fischreiche Gewässer? Welcher Köder, welche Netze, welche Kochrezepte sind vorbereitet?
Als nicht weniger wichtig haben sich aber die „Metakognitiven Lernstrategien“ herausgestellt: Du siehst dir von außen an, wie du eigentlich lernst. Du lernst bewusst und verhinderst, dass dir dieselben Fehler immer wieder passieren. Wenn der Fischer auf Deck ständig ausrutscht, und er stellt fest, dass er statt derber Gummistiefel flotte Highheels trägt, wird ihm diese Erkenntnis von Nutzen sein. In verschiedener Hinsicht.
Was „Stützstrategien“ sind, erklärt sich im Grunde von selbst.
Welche Ressourcen stehen mir zur Verfügung? Wen kann ich bei Fragen zum Lerninhalt ansprechen? Welche Software habe ich? Wieviel PS haben Kutter und Seilwinde? Habe ich ein Ersatznetz, wenn das erste reißt? Habe ich kräftige Matrosen? Radar, GPS und Seekarten, wenn Nebel aufkommt? Ersatzschuhe?
Erst in den letzten Jahren hat sich das Bewusstsein durchgesetzt, dass es noch eine vierte Kategorie gibt, ohne die letztlich gar nichts funktioniert. Das ist der Bereich der „Motivationsstrategien“, oder auch der „emotionale Bereich“ des Lernens. Was nützen das beste Hirn, die tollste Ausstattung und perfekte Kenntnisse über effiziente Lernstrategien, wenn der Lerner keinen Bock hat und sich nicht aufraffen kann, etwas zu tun? Was nützt dem Hochseefischer eine supermoderne Fangflotte, wenn es ihm draußen zu windig und nass ist, und er lieber auf der Coach sitzt und nach dem achten Grog Shantys singt?
Die Bezeichnung „Lerntyp“ steht also im Grunde nur für die besonders häufige und versierte Anwendung einer bestimmten Art von Lernstrategien. Gehst du systematisch an den Lernstoff heran, oder mit überschäumender Begeisterung? Nutzt du den Austausch mit Freunden oder analysierst du dich und dein Lernen? Und die besten und effizientesten Lerner sind die, die alle vier Kategorien in einem ausgewogenen Verhältnis beherrschen und regelmäßig anwenden.
Und das ist die gute Nachricht: Diese Ausgewogenheit lässt sich gezielt herstellen!
Am besten mit einem erfahrenen Lernlotsen an deiner Seite. Von daher Petri Heil und immer eine Hand breit Wasser unterm Kiel! Und denk daran: Der Lotse Lerndoktor ist jederzeit bereit, an Bord zu kommen!
(Zur vertiefenden Lektüre wärmstens empfohlen: Pierre-Yves Martin/Torsten Nicolaisen (Hrsg.) Lernstrategien fördern. Modelle und Praxisszenarien, Weinheim und Basel 2015)