„Nie ist meine Wohnung so sauber wie in Prüfungszeiten. Immer, wenn ich mit dem Lernen anfangen will, fällt mir ein, dass ich noch ganz dringend und unbedingt irgendetwas putzen muss.“ Das erklärte mir ein guter Freund: Ungünstig nur, dass er nicht Raumpfleger, sondern Historiker werden wollte. Mittlerweile ist er weder das eine, noch das andere, und sehr erfolgreich.
Prokrastination kennt jeder. Warum fällt es so schwer, „einfach“ anzufangen? Muss das sein, Wichtiges so lange aufzuschieben, bis nervige Nachtschichten nötig werden, um „irgendwie vielleicht“ dann doch noch fertig zu werden? Mit den Nerven am Ende und mit dem Ergebnis unzufrieden? Oder gar nicht? Und wie lässt sich das verhindern?
Nein, muss es nicht. Im Gegenteil! Also lies den Artikel. Nicht morgen. Jetzt!
Eigentlich wollte ich diesen Artikel schon viel früher geschrieben haben. Aber ich bin nicht dazu gekommen. Es gab so viel zu tun. Und alles war wichtiger. Na ja, fast alles. Manches. Zumindest ein paar Sachen. Um ganz ehrlich zu sein, hätte ich ihn schon längst geschrieben haben können. Stimmt ja. Aber jetzt sind wieder zwei Wochen rum und nichts ist passiert. Jetzt habe ich erst recht keine Lust.
Das fühlt sich kacke an.
Und das ist es auch. Denn zum nicht nur gefühlt, sondern auch tatsächlich größer werdenden Zeitdruck, gesellt sich jetzt auch noch das schlechte Gewissen. Es flüstert permanent aus dem Hintergrund, was ich alles bereits hatte tun wollen und welche Pläne ich bereits jetzt in die Tonne treten kann. Selbstzweifel und -vorwürfe lassen nicht lange auf sich warten: „Ich bin faul und unnütz.“
Es dauert nicht lange und eine weitere Stimme verschafft sich ebenfalls Gehör. Sie sagt: „Hat das überhaupt einen Sinn, was ich hier mache?“ Und das ist eine logische Reaktion: Es entspricht dem menschlichen Überlebenstrieb, das zu vermeiden, was Unwohlsein bereitet. Und schon sind alle Zutaten für einen klassischen Teufelskreis gegeben.
Schnell schließt sich der Teufelskreis
„Hey, Teufel – nimm es mir nicht übel, aber könntest Du mich freundlicherweise rauslassen? Ja? Nein? Verdammt.“ So ist es. Einen Teufelskreis kannst Du nicht verlassen. Satan macht sich zwar cool auf Plattencovern, aber der Lernverhinderungsteufel lässt nicht mit sich diskutieren. Du musst schon selbst aktiv werden. Das ist nicht einfach, aber immer möglich!
Prokrastination kennt viele Gesichter. Sie reicht vom harmlosen nicht-Absenden einer wenig wichtigen Nachricht bis zu einer schweren, die Lebensfähigkeit infrage stellenden, psychischen Störung. Dummerweise wächst das Bedürfnis, eine Sache aufzuschieben, mit dem Druck. Und je wichtiger eine Sache, desto größer ist er. So ist es gar nicht selten, dass ein Examenskandidat sich nicht zur Prüfung anmeldet, aus Angst, sie nicht zu bestehen. Ist es nicht paradox, freiwillig zu scheitern, um ein Scheitern zu verhindern?
Selbstmord aus Angst vor dem Tod?
Auch die Ursachen sind vielschichtig. Prokrastinieren ist eine Vermeidungsstrategie. Es ist nicht Edgar Allan Poes William Wilson, der Dich grundsätzlich dazu verleitet, das Gegenteil von dem zu tun, was gut für Dich wäre, einfach weil er der Geist des Widersinnigen ist. Jede innere Stimme meint, sie sorgt für Dein Wohlergehen. Deshalb frage die Kraft, die Dich davon abhält, etwas zu erledigen: „Was willst Du mir Gutes tun? Wovor willst Du mich schützen?“
In aller Regel antwortet sie: „Ich schütze Dich vor allem was angst macht, Gefahr verheißt, Unwohlsein bereitet. Du sollst Dich wohl fühlen!“ Leider hat es dieser tief in jedem Menschen sitzende Trieb, Unangenehmes zu vermeiden, nicht mit vorausschauender Planung. Er will einfach nicht einsehen, dass Du manchmal etwas tun musst, was die Fluchtauslöser Angst, Gefahr, Unwohlsein etc. aktiviert, weil Du ein dahinter liegendes Ziel erreichen willst. Aber die Innere Stimme lässt mit sich reden.
Lern-Verhinderungsteufel-Exorzismus!
Manchmal reicht es bereits, wenn Du Dir dieses größere Ziel immer wieder verdeutlichst, wenn Du Dir in den Kopf hämmerst, dass Du diesen nervigen Aufsatz nicht liest, weil Du einen nervigen Aufsatz lesen musst, sondern weil er wichtig ist für Deinen Traumjob. Dass Du einzig für Dich lernst und Dir persönlich damit langfristig etwas Gutes tust, auch wenn es kurzfristig unangenehm ist. Dass letztlich ALLES prüfungsrelevant ist, und sei es für die nie endende Dauerprüfung, die sich „Leben“ nennt.
Es gibt noch andere kleine Kniffs, mit denen sich dem prokrastinatorischen Vermeidungsreflex ein Schnippchen schlagen lässt. Pläne schaffen Struktur und Übersicht. Die „vier Wochen bis zur Prüfung“ klingen verführerisch weit entfernt. Aber jetzt liste auf, was zusätzlich erledigt werden muss: Lehrveranstaltungen, Job, soziale Kontakte, Einkaufen, Essen, Schlafen –vier Wochen sind keine 672 Lernstunden! Auf dieser Basis kannst Du Dir die Arbeit in leichter verdauliche Häppchen schneiden. Spazierst Du lieber über zehn flache Hügel oder muss es binnen weniger Stunden das Matterhorn sein? Und ganz wichtig: Aufschieberitis ist ansteckend! Aber die coolen Partyleute sind auch nach der Lernphase noch da. Und die freuen sich, wenn sie sich später Geld bei dir leihen können, weil Du den erhofften Job hast, während sie noch immer nicht vorangekommen sind.
Sweet taste of Victory!
Die Tendenz zur Prokrastination steckt in jedem einzelnen Menschen. Aber sie ist kein unveränderlicher Fluch. Du kannst sie überlisten! Finde Deine eigene Strategie, Deinen individuellen Anti-Prokrastinator. Es gibt sie, sie steckt bereits in Dir und Du wirst sie finden, wenn Du sie suchst!
Denk an den süßen Geschmack des Sieges! Tu es!