Stell Dir vor, Du hast einen Wunsch frei. Einzige Einschränkung: Er muss sich auf das Lernen beziehen. Was wünschst Du Dir? Wie wäre es mit „Alles lernen können, was ich will, ohne Anstrengung“? Klingt zu schön um wahr zu sein. Lernen und Anstrengung gehören nun mal zusammen, oder?
Von wegen! Tatsächlich lernst Du effizienter und nachhaltiger, kurz: besser, je weniger angestrengt Du dabei bist. Und das geht ohne Magie und Zauberkräfte!
Tritt ein und lüfte das Geheimnis, wie Du mit Nichtstun Erfolg hast!
„Ich bin für’s Studieren nicht geeignet…“
…meinte ein Klient im Kennenlerngespräch zu mir, und sah mich deprimiert an. Auf meine Frage, wie er darauf komme, antwortete er todernst: „Ich habe es noch nie geschafft, eine Nacht durch zu büffeln. Und das muss man ja im Studium.“
Immer wieder höre ich ähnliche Aussagen. Oder: „Ich habe den ganzen Tag ohne Pause durchgelernt…“ gefolgt von dem Nachsatz: „…aber ich behalte einfach nichts im Kopf. Woran liegt das?“ Ja, genau daran – Denn das eigentliche Lernen findet in den Pausen statt!
Ja, das stimmt wirklich! Das Lesen und Rausschreiben, Anhören und Ansehen von Texten, Vorlesungen, Podcasts, Videos etc. dient der Aufnahme von Informationen. Damit ist aber noch nichts gespeichert. Es sind Produkte, die angeliefert werden, aber erst einmal bei der Warenannahme ausgeladen werden. Die Warenannahme Deines Gehirns ist das Kurzzeitgedächtnis.
Durchgangsstation Kurzzeitgedächtnis
Was auch immer dort angeliefert wird, es kann nicht lange bleiben. Die Warenannahme hat keine längerfristigen Speicherkapazitäten, weder die in einem Betrieb, noch die in Deinem Kopf. Dazu kommt, dass es sich bei Lerninhalten um leicht verderbliche Ware handelt: Wenn sie nicht schnell verarbeitet wird, ist sie vergangen. Das heißt: Akkordarbeit für die Männchen, welche die Informationspakete vom Fließband runter in die passenden Regale Deines Kopfarchivs legen müssen.
Das braucht seine Zeit. Selbst wenn neuronale Prozesse in Sekunden, oder gar Sekundenbruchteilen von statten gehen, auch das ist Zeit. Und irgendwann sind die Kapazitäten erschöpft.
Was passiert nun, wenn Du ohne Pause büffelst und paukst, Dir am Schreibtisch vielleicht schnell ein kaltes Dosen-Gulasch reinpfeifst, die Augenlider mit Kaffee mühsam oben hältst und sämtliche Warnzeichen Deines Körpers ignorierst?
Die Männchen im Kopf drehen durch. Oder streiken. Oder lassen alle Pakete, die sie nicht verarbeiten können, unter den Tisch fallen. Der Effekt ist in jedem Fall der gleiche: Von den mühsam und entbehrungsreich aufgenommenen Lerninhalten kommt kaum etwas im Langzeitgedächtnis an. Am nächsten Tag ist fast alles weg. Ebenso wie Power und Motivation. Sisyphus lässt grüßen.
Weniger ist mehr!
Du willst etwas produzieren? Dann brauchst Du Rohstoffe, Maschinen und Arbeitskräfte. Du willst Wissen produzieren? Fein: Deine Rohstoffe sind die Lernmaterialien, Arbeitskraft bist Du selbst, und die Maschine ist Dein Hirn. Und jede Maschine braucht Energie, sonst läuft nichts. Und der Energieträger für Deine Kopfmaschine ist neben den üblichen körperlichen Nährstoffen vor allem eins: Pausen!
Wie oben beschrieben: Das „eigentliche“ Lernen findet in den Pausen statt. Und da lässt sich zwischen drei verschiedenen Arten von Pausen unterscheiden.
Die erste Pause ist eigentlich gar keine Pause. Kennst Du das Gefühl? Du liest einen Text aufmerksam, aber irgendwann ertappst Du Dich dabei, nur noch mechanisch zu lesen, gar nicht mehr so recht zu wissen, was in diesem und im vorigen Satz stand? Das ist ein klares Signal der Männchen im Kopf: He Du, die Warenannahme für Wissenspakete ist voll, wir müssen erst einmal verräumen! Dann gib ihnen die Zeit – wenn nicht, weißt Du, was passiert. Einfach zwei Minuten die Augen schließen, oder das Fenster öffnen und in die Ferne, ins Nichts schauen, das Gehirn in Ruhe lassen. Bloß kein Input, auch nicht der schnelle Blick aufs Handy. Dann kann es weiter gehen.
Die „Magische Sieben“
Es ist also eher ein „Lerninhalteaufnahmestopp“. Die Hirnforschung hat herausgefunden, dass dieser Punkt des Abschweifens nach fünf bis neun Informationseinheiten der Fall ist. Im Durchschnitt also sieben. Und der fluffige Fachbegriff lautet „Magic Seven“.
Wenn Du dabei auf die Uhr siehst, hast Du schnell raus, wie lange Du am Stück konzentriert arbeiten kannst. Und das Beste: So kannst Du Deine Konzentrationsfähigkeit trainieren!
„Richtige“ Pausen müssen auch sein, die kurzen zwischendurch (fünf bis fünfzehn Minuten bei 90 Minuten Lernzeit sind angemessen), sowie auch mal eine längere, zum Beispiel mittags, allein um die benötigten Nährstoffe zuzuführen. Man könnte auch Essen sagen.
Hier tut es gut, auch mal ganz abzuschalten, sich nicht mit irgendetwas zu beschäftigen, was mit dem Lernstoff zu tun hat. Aber auch hier gilt: So wenig zusätzlicher Input wie möglich. Also vielleicht nach dem Essen ein kleiner Spaziergang, statt schnell zwei Folgen einer Anime-Serie.
Lernen im Schlaf – es funktioniert!
Und schließlich haben wir die ganz große Pause zwischen den Tagen, die sich normalerweise in der Nacht befindet und mit Schlafen verbracht wird. Ausreichend Schlaf ist gerade in Prüfungsphasen eminent wichtig. Aber auch sonst. Wie viel Schlaf ausreichend ist, ist sehr individuell. Wer die Signale seines Körpers wahrnimmt, findet das schnell heraus. Dabei ist unerheblich, wann die Schlafphase stattfindet. Du arbeitest besser nachts? Kein Problem, dann sieh aber zu, dass Du tagsüber ungestört schlafen kannst. Lehrveranstaltungen, Termine und viele Erledigungen des täglichen Lebens können nämlich nur tagsüber stattfinden.
Lernen im Schlaf – Verstehen durch nichts tun: Das sind also keine irrealen Wunschträume, sondern letztlich die Realität des Lernens: Jeder Leistungssportler weiß, dass zu einem effizienten Training die passenden Ruhephasen zwingend dazu gehören. Und jede Lernphase ist ein Wettkampftrainingslager für Dein Gehirn!
Überwinde das Gefühl, dass Lernen weh tun muss, damit es wirkt: Mach öfter mal Pause!