Wie bitte? Ist es nicht mein Ziel, Fehler zu vermeiden? Ja, und genau deshalb sind Fehler super. Klingt unlogisch? Ist es aber nicht, ganz im Gegenteil: Sie sind seit Anbeginn der Menschheit das wichtigste Werkzeug des Lernens. Aber wie bei allen Werkzeugen gilt auch hier: Man muss damit umgehen können, sonst tut es weh. Hier erfährst Du, wie Du Fehler für Dich nutzbar machen kannst und aus dem Fehlerteufel ein Freund und Helfer wird.
Ob richtig oder falsch ist oft Ansichtssache
„Der größte Fehler zum Einstieg eines Textes ist es, mit einem Zitat anzufangen.“ So heißt es in zahlreichen Ratgebern zur Rhetorik. Womit ich den Fehler bereits begangen habe – und ich könnte ihn noch auf die Spitze treiben und die Aussage sogar umdrehen, schließlich haben sich die üblichen Zitatverdächtigen auch zum Thema Fehler geäußert:
Wenn es weder von Konfuzius („Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten.“) noch von Seneca („Irren ist menschlich“.) eine Bemerkung zum Thema gibt, kann es nicht relevant sein!
Kotze alle Fehler, peinlichen Momente und und bereute Aktionen raus!
Aber um diese Fehler geht es hier nicht, sondern die klipp und klar eindeutig falschen „Fehler-Fehler“. Genau die sind es, aus denen man Lehren ziehen kann.
- Es geht um die großen und kleinen Fehler bei der Übersetzung von Texten, die dich zu einer vollkommen anderen Deutung der Aussage führen.
- Es geht um die Fehler bei der Strukturierung der Hausarbeit, die dich in eine Sackgasse führen, und du schlimmstenfalls noch mal von vorne anfangen musst.
- Es geht um die Fehler in Gesprächen, wo du am Mienenspiel deines Gegenübers merkst, dass du knietief in den verbalen Mist getreten bist.
- Die falschen Ergebnisse, die dir zeigen, dass irgendwo vorher eine Berechnung falsch gewesen sein muss.
- Die misslungene Zeitplanung, die dir Nachtschichten und Zittern vor dem Abgabetermin beschert.
Die Liste ließe sich fortsetzen und zwar nicht nur auf Lernsituationen beschränkt. Mach das für einen Moment und kotze alle Fehler, peinlichen Momente und im Nachhinein bereute Aktionen raus!
"Ich bin einfach zu doof!?!"
Fehler zu erleben ist ätzend, frustrierend, nervt. Jeder vor Augen geführte Fehler ist eine Niederlage, ein gefühltes Scheitern. Aber egal, wie du mit dem Erleben von Fehlern umgehst, ob mit Wut, Verzweiflung, Gleichgültigkeit oder Ansporn: Merkst du, welche Energie dahintersteckt? Wie bei kleinen Kernspaltungen werden plötzlich Kräfte freigesetzt, die unkontrolliert zerstörerisch wirken.
Wer wollte nicht schon einmal das Laptop durchs geschlossene Fenster werfen oder sich im Garten eingraben mit dem Argument „Ich bin einfach zu doof“? Wie wäre es aber, wenn du diese Kräfte für dich nutzt und wie in einem Reaktor in positive Power umwandelst, Power für dein Lernen oder gar dein Leben?
"Hey, Fehler, was willst du mir sagen?"
Also Schluss mit der Fehler-Teufelsaustreibung und dem Error-Exorzismus! Du kannst sie nicht vermeiden, also bringt es nichts, sie zu ignorieren oder ihre Existenz zu bekämpfen. Sprich sie doch einfach mal an! Nehmen wir der Einfachheit halber das erste Beispiel von oben, den klassischen Übersetzungsfehler. Die Sprache ist dabei nebensächlich.
„Hey, Fehler, was willst du mir sagen?“ Der Fehler könnte antworten: „Sorry, ich wollte nicht stören, aber die Vokabel hier heißt etwas völlig anderes, als du dachtest.“ Dann hebt der nächste Fehler den hochroten Kopf: „Ja, das wollte ich auch gerade sagen!“ „Und ich bin Plural und nicht Singular!“ ertönt es aus dem Hintergrund. Es werden immer mehr, denn je genauer du hinhörst, desto mehr melden sich zu Wort.
Wie gehst du mit deinen Fehlern um?
Was machst du? Hältst du dir die Ohren zu? Oder sagst du dir „die meinen gar nicht mich“? Kann man machen, aber von alleine werden sie nicht leiser, ganz im Gegenteil. Also setzt du dich am besten mit ihnen an einen Tisch. Wer seid ihr? Wo kommt ihr her? Wie habt ihr den Weg in meinen Text gefunden? Wie kriegen wir es hin, dass ihr nicht nur verschwindet, sondern nicht mehr wiederkommt?
So eine Diskussion kann anstrengend sein, ist aber zielführend. Denn nur, wenn du die Ratschläge der Fehler beherzigst, bleibt euer Verhältnis freundschaftlich. Du kannst sie auch aggressiv vertreiben, aber dann kommen sie wieder und bringen Verstärkung mit.
Fehler als Helfer und Hinweise
Dieser Vorgang, den ich hier etwas überzeichnet habe, ist nichts anderes als die Entwicklung „Metakognitiver Lernstrategien“: Du läufst vor deinen Fehlern nicht davon oder ignorierst und verschweigst sie, wie den unangenehmen Verwandten, der dir laut krakeelend entgegen kommt und bei dem du nicht möchtest, dass du mit ihm gesehen wirst.
Du siehst Fehler als Helfer, als Hinweise, dass deine Lerntechnik verbesserungsfähig ist, und je nach Häufigkeit und Intensität der Fehler, sogar verbesserungsbedürftig. Ein Quacksalber überdeckt nur immer wieder die Symptome einer Krankheit, der gute Arzt geht der Ursache nach und heilt. Denn dann hören auch die Symptome auf.
Fehlerfreundlichkeit ist Bestandteil einer positiven Fehlerkultur
Use the force!
„Irrend lernt man“, um die argumentative Allzweckwaffe Goethe anzuführen. Natürlich gibt es auch hier Grenzen: Wer nachts mit Kopfhörern und Sonnenbrille auf dem Bahndamm spazieren geht, wird wahrscheinlich keine Gelegenheit bekommen, hieraus einen Lerneffekt zu erzielen.
Die Synapsen des Gehirns, die sich bei Erfahrungen neu verbinden und damit das bewirken, was wir „Lernen“ nennen, liegen irgendwo verteilt zwischen Gleisen und Schotter. Aber beim Lernen geht es definitiv nicht um Leben und Tod. Und Fehler entscheiden auch nicht, wie gut und erfolgreich du lernst.
Wie du mit Fehlern umgehst, darauf kommt es an! Nutze ihre Macht! 😉