„Du kommst hier rein!“ – Der Gedächtnistürsteher und wie Lerninhalte ins Langzeitgedächtnis kommen

Kennst Du das? Du lernst und lernst und nichts bleibt hängen? Kopf wie Sieb? „Musst Du halt noch mehr lernen“ lautet dann oft der Rat. Denn: „Viel hilft viel – und mehr hilft besser“!

Es mag Situationen geben, wo das zutrifft. Nur fällt mir gerade keine ein. Beim Lernen jedenfalls nicht! Die simple Rechnung, wenn ich zehnmal soviel lerne, habe ich auch zehnmal soviel im Kopf, beschämt jedes Milchmädchen. Oder ist Dein Kopf ein leerer Eimer, in den Du nur Wissen reinkippen musst? Aha! Zumal auch Eimer irgendwann voll sind. Es sei denn, ein Loch ist im Eimer, Karl Otto.

Nutze besser das Ding, was in Deinem Kopf drin ist! Halte Dich an die Spielregeln Deines Gehirns und Du machst aus dem Sieb im Kopf eine superschnelle Festplatte ohne Speicherlimit!

Der junge Mann war der Verzweiflung nahe: „Ich verstehe es nicht. Die letzten Wochen habe ich jeden Tag zehn Stunden vor den Büchern gesessen. Ohne Pause. Obwohl ich keinen Bock hatte, habe ich mich gezwungen. Zwischendurch Kaffee und Schokolade, das ist ja gut für den Blutzucker. Und jetzt fühle ich mich zum Kotzen, bin fix und fertig. Und alles weg, ich habe absolut nichts mehr im Kopf. Die ganze Schinderei war umsonst.“ Sein Gesprächspartner sah ihn lange an, und fragte dann: „Was genau verstehst Du jetzt nicht daran?“

Gewalt ist keine Lösung: Auch nicht beim Lernen

War das jetzt unsensibel oder herzlos? Vielleicht. Auf jeden Fall war es die Wahrheit: Du kannst Dein Gehirn nicht mit Gewalt zu besserer Leistung zwingen. Immer nur Arbeit und kein Spielen machen nicht nur aus Johnny einen stumpfsinnigen Jungen und potenziellen Axtmörder (wenn noch etwas Shining hinzukommt). Dein Wissen steigerst Du so nicht. Und jeden Tag erhöhst Du das Risiko, dass gar nichts mehr geht.

„Mit der Schule ist es wie mit der Medizin: Sie muss bitter schmecken, sonst nützt sie nichts!“ Dieses Motto von Professor Krey, Verfasser des vielbeachteten Buches „Die Gerechtigkeit des Lehrers unter besonderer Berücksichtigung der Höheren Lehranstalten“, und Ziel der Streiche des Pennälers Pfeiffer (mit drei F) aus der Feuerzangenbowle, ist heute kaum noch bekannt. Trotzdem handeln viele danach: Ich kann ja nur „richtig“ gelernt haben, wenn es weh tut und ich hinterher völlig erschöpft bin. Wenn es sich leicht anfühlt oder sogar Spaß macht, lerne ich nicht richtig. Unsinn!

Dein Gehirn ist Dein Freund – behandle es auch so!

Was machst Du, wenn die Festplatte im PC nicht so läuft, wie Du willst? Sie anschreien? Mit dem Hammer draufhauen? Oder suchst Du nach Tipps und Tricks oder passenden Tools und Software? Warum die Festplatte im Kopf schlechter behandeln? Finde heraus, wie Dein Gehirn am besten funktioniert, was seine Spielregeln sind.

Was wir abstrakt als „Lernen“ bezeichnen, ist letztlich nichts anderes, als das erfolgreiche Transferieren von Informationen aus dem Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis. Du kannst Dir Dein Großhirn – Deinen Festplattenspeicher im Kopf – wie eine exklusive Disko vorstellen. Viele Informationseinheiten, also Partygänger, wollen unbedingt da hinein. Und wie bei jeder angesagten Disko heißt es nicht „Bitte einzutreten“, sondern erst einmal „Stop“: Vor Dir baut sich eine Masse Mensch auf und prüft Dich und Dein Vorhaben mit strengem Blick:

Der Türsteher. Den hat Dein Gehirn auch. Er heißt Hippocampus und liegt wie ein schützender Ring im Zentrum des Hirns und passt genau auf, wer da Einlass begehrt in den Club LangZeitGedächtnis. Und genau wie sein Pendant mit viel Muskel und wenig Haar hat er klare Kriterien, wer rein darf und wer besser draußen bleibt. So ein Club ist schließlich keine karitative Einrichtung, wer reinkommt, muss in irgendeiner Form einen Nutzen versprechen. Wer Gegenteiliges vermuten lässt, guckt in die Röhre:

Wer auf Ärger aus ist, bleibt draußen

Zum Beispiel die Radaubrüder, die schon krakeelend und pöbelnd um die Ecke kommen. Du kannst Dir sicher sein, dass die nur für schlechte Stimmung sorgen. Oder uninteressante, austauschbare Langweiler, die Du nicht einmal richtig wahrnimmst, wenn sie vor Dir stehen, und die mit niemandem ins Gespräch kommen, sondern einfach nur da sind und anderen im Weg rumstehen. Und schließlich die Gestalten, die sich den ganzen Abend an einer Cola festhalten, weil sie nur abgezähltes Geld dabei haben.

Auf die Lernsituation übertragen heißt das: Der Türsteher Hippocampus lässt Informationen nicht durch, die ihm Unwohlsein bereiten, die beispielsweise schlechte Stimmung mitbringen und mit negativen Emotionen verbunden sind. Uninteressante, langweilige Informationen haben es auch schwer. Warum sollte er die reinlassen? Würdest Du das tun? Und wenn sie nichts einbringen, die Informationen also keinerlei Gewinn mit sich zu bringen scheinen, was sollen wir dann damit im LZG?

Und das gilt auch für die bloße Menge: Wenn zu viele Menschen hineinwollen, schickt der Türsteher die meisten davon wieder weg, und unter Umständen schlüpfen dann ein paar unangenehme Zeitgenossen hinein. Das gleiche passiert, wenn Du versuchst, zu viele Informationen auf einmal in den Kopf zu kriegen: Irgendwann ist dicht. Dann kannst Du natürlich weiterlesen, weiterüben, weiterlernen – es bringt nur einfach nichts. Und schlimmstenfalls bleibt das im Kopf, was Du am wenigsten brauchst.

So machst Du die Türen zum Langzeitgedächtnis weit auf!

Effizientes Lernen bedeutet nicht nur, Deinem Hirn beste Rahmenbedingungen zum Arbeiten zu liefern – also die üblichen Dinge wie angemessene Ernährung, ausreichend Ruhe, reichlich Flüssigkeitszufuhr etc. – sondern vor allem, sich an die Hausordnung Deines Hirns zu halten! Verdeutliche Deinem Hippocampus, dass jede Information, die da vor der Tür steht, wichtig ist. Dass alle profitieren, wenn sie hineingelassen werden. Dass sie Dir nützlich sind. Und dass sie ganz sicher keine schlechte Stimmung verbreiten, also versuche möglichst positiv an das Lernen heranzugehen, zum Beispiel durch Belohnungsstrategien, oder indem Du Dir erst einmal die Dinge heraussuchst, auf die Du so richtig Bock hast.

Wenn das partout nicht funktioniert: Jeder Club schmückt sich gerne mit extravaganten Paradiesvögeln! Verpack die Information außergewöhnlich, mache sie merk-würdig! Möglichst alberne Eselsbrücken wirken da wunder.

Und dann gibt es ja noch den ältesten Trick überhaupt: Ich kenne viele Leute da drinnen! Hat Deine Information bereits Bekannte im Club, lässt der Türsteher sie natürlich auch hinein! Neurophysiologisch übersetzt heißt das: Weißt Du, dass die neue Information gar nicht so neu ist, sondern lediglich eine Ergänzung zu einem bereits bekannten Thema, muss das Großhirn keine Synapsen herstellen, sondern die Info kann bequem an bereits bestehendem Wissen andocken.

Partystimmung statt Lernkater

Wenn Du jetzt auch noch dem Hippocampus genug Zeit einräumst, die Guten ins Töpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen zu sortieren – also beim Lernen regelmäßige Pausen einlegst, in denen Dein Hirn die aufgenommenen Informationen auch verarbeiten kann – dann wirst Du feststellen, dass Lernen auch funktionieren kann, ohne bitter zu schmecken. Und das sogar besser!

Lass die Lern-Party steigen!

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