Das Nietzsche-Langstrumpf-Prinzip, oder: Wieviel Chaos verkraftet dein Genie?

„Man braucht Chaos in sich, um einen Stern zu gebären.“ Das sagt Nietzsche. Und der weiß schon, was er sagt. Leider nahm in den letzten zwölf Jahren seines Lebens das Chaos so weit zu, dass er nicht einmal mehr einfache Worte gebären konnte, geschweige denn einen Stern. Mit anderen Worten: Chaos als Ordnungsprinzip kann in den Wahnsinn führen. Und eine chaotische Prüfungsvorbereitung bei Dir wird ganz sicher Deinen Prüfer irre machen. Willst du das? Besser, Du bringst System ins Chaos. So lassen sich nämlich super Lernergebnisse zur Welt bringen!

Selbstbeschreibungen in Social-Media-Profilen sagen zwar nicht immer etwas über die reale Person aus, die sich hier präsentiert, wohl aber, wie sie wahrgenommen werden möchte. Das wiederum gibt Auskunft, welche Eigenschaften als sympathisch, cool, hip und angesagt gesehen werden: Dieses Bild soll nämlich erzeugt werden. Es fällt schon auf, wie viele Zeitgenossen sich selbst als „chaotisch“ beschreiben. Demnach haftet „chaotisch“ etwas Liebenswertes an, etwas Drolliges, was man gernhaben muss. Bloß nicht strukturiert oder gar ordentlich wirken!

Chaos ist cool!

Und die Coolen, das sind sowieso die Outlaws, die Rebellen, die sich nicht um Vorgaben scheren, die ihr Ding machen, die das Chaos verkörpern, und trotzdem erfolgreich sind. Ordnung ist was für Streber und Langweiler! Außerdem ist Ordnung halten nervig und enge Strukturen engen mich ein, nehmen mir Freigeist die Luft zum Atmen. Ich mach mir jetzt die Welt, wie sie mir gefällt – Pippi Langstrumpf hat recht!

Und dann haben wir den Salat. Solange es nur der Inhalt des Kleiderschranks ist, der Dir vor die Füße fällt, ist das zwar ärgerlich, aber keine Katastrophe. Die ist aber schnell da, wenn Du genauso lernst, wie Pippi ihre Wäsche wegräumt: Früher oder später kommt Dir auch hier der ganze Kladderadatsch entgegen und begräbt dich – und dann war es das mit Abitur, Bachelor, oder Examen.

Wenn Du über Superkräfte verfügst und einen Koffer mit Goldmünzen unter dem Bett liegen hast, kann Dir das natürlich herzlich egal sein. Aber gehen wir einfach mal davon aus, dass dem nicht so ist: Was kannst Du dagegen tun?

Kladderadatsch-Verhinderung

Zunächst einmal Dich von der Illusion verabschieden, dass chaotisches Arbeiten erfolgreich sein kann. Es ist nicht so. Entweder diejenigen, die sich chaotisch nennen, machen Dir und Anderen bewusst etwas vor (s. o.: Pfui, Ordnungseinhalter!), oder aber sie haben ein ganz eigenes Ordnungssystem für sich entwickelt, das nach außen chaotisch wirkt, es aber letztlich nicht ist. Ohne irgendeine Form von Strukturierung funktioniert auf Dauer nichts.

Aber genauso wenig gibt es „das“ eine für Jeden immer funktionierende Ordnungssystem! Insofern ist der erste und entscheidende Schritt zum optimal strukturierten Lernen, dass Du Dich selbst kennst. Mach Dir bewusst, ob Du klare Vorgaben und Raster zur Orientierung hilfreich empfindest, oder Du Dich dadurch eingeengt fühlst. Bist Du ein Planer, liebst detaillierte Ablaufpläne und hakst sie genussvoll ab, oder ist für Dich die Klarheit über das Tages-, Wochen-, Lernziel genug Orientierung, und die Schritte dahin gehst Du intuitiv, also eher als Improvisierer? Das gilt es zu respektieren, denn gegen die innere Natur anzukämpfen ist nicht nur mit großer Wahrscheinlichkeit zum Scheitern verurteilt, es kostet vor Allem wahnsinnig Kraft. Und ist ein effizienter Motivationskiller.

Auch Chaos ist planbar – mit den drei Ws!

Ob Planer oder Improvisierer: In beiden Fällen sollten Dir die drei Ws klar sein! Wann sind die Prüfungen, der Abgabetermin, das Semesterende? Welcher Lernstoff ist zu bewältigen? Wieviel Zeit steht dafür tatsächlich zur Verfügung?

Das erste W: Wann muss ich fertig sein? Die Entwicklung eines Kalenders gehört zu den Errungenschaften, die den Homo Sapiens vom Frühmenschen unterscheidet. Er hat sich über zehntausende von Jahren bewährt. Sei kein Australopithecus, recherchiere die wichtigen Termine und trage sie ein!

Das zweite W: Welcher Lernstoff ist wichtig? Das Datum, zu dem Du fertig gelernt haben musst, nützt Dir nichts, wenn Du nicht weißt, was überhaupt gelernt werden muss. Das lässt sich herausbekommen! Wie lautet das Thema? Was hat der Lehrer/Dozent empfohlen? Was sagen erfahrene Lerner, die diese oder ähnliche Prüfungen schon gemacht haben? Hier droht die Perfektionismus-Falle: Du kannst nicht alles lernen. Brauchst Du auch nicht. Das Richtige reicht.

Das dritte W: Wieviel Zeit habe ich? Vorsicht, fiese Planungsfalle! Vier Wochen bis zur Prüfung heißen eben nicht 672 Lernstunden! Die Hälfte der 24 Stunden eines Tages fällt schon einmal weg für so unvorhersehbare Sachen wie schlafen, essen, Körperpflege, notwendige Erledigungen etc. Bleiben 336. Einen Tag die Woche komplett frei zu halten ist notwendig: Minus 48 = 288, macht 72 á 6 Tage = 12 Lernstunden pro Tag. Das ist nicht nur viel zu viel, sondern auch gar nicht machbar. Lehrveranstaltungen, Job, soziale Kontakte, Sport, Pausen etc. musst Du abziehen. Und natürlich sind Pufferzeiten notwendig: Krankheit, technische Probleme, unerwartete Verpflichtungen respektieren dummerweise ausgearbeitete Lernzeiten nicht.

Mit diesen drei Ws hast Du eine Grundlage, um Dein Lernen effizient und erfolgversprechend zu organisieren. Denn jetzt geht es weiter: Materialien besorgen und sichten, ungefähre Arbeitszeit pro Skript/Buch/Aufsatz/Fach berechnen, Lerninhalte hierarchisieren etc. Der Planer macht sich jetzt wahrscheinlich Stundenpläne für die Lerntage, die abgearbeitet werden. Der Improvisierer konzipiert Lerneinheiten, die er flexibel in Angriff nehmen kann.

Du belohnst Dich selbst!

Und jetzt läuft es wie geschmiert, oder? Natürlich gibt es keine Garantie dafür: Auch die beste Theorie muss sich erst in der Realität beweisen. Deshalb gehört für Planer wie Improvisierer gleichermaßen dazu, das eigene System und sein Funktionieren regelmäßig zu evaluieren: Erreiche ich meine Ziele? Komme ich gut voran? Motiviert mich der Plan? Stört mich etwas? Was klappt richtig gut? Denk daran: Nichts motiviert besser, als positive Bestätigung! Wenn etwas nicht so funktioniert, wie geplant, bist Du nicht dumm oder faul, Du musst vielleicht nur Deinen Plan etwas modifizieren. Und wenn es gut läuft, muss das gefeiert werden!

Der perfekte Lernplan sieht für Jeden anders aus.

Aber er existiert! Und zwar in Dir!

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